Unter Domestikation (lat.: domesticatio = Überführung ins Hauseigentum) verstehen wir eine durch Selektion (z. B. durch gezielte Züchtung) hervorgerufene Umwandlung einer Wildtierart zu einem Nutz-, Haus- oder Heimtier. Bereits vor mehreren tausend Jahren begannen Menschen die meisten der heutigen Nutztiere aus wildlebenden Tierarten zu züchten.
Einige Vögel werden Haustiere
Vögel üben auf uns Menschen schon seit vielen Jahrtausenden eine überaus starke Faszination aus. In allen Völkern der Erde nehmen sie seit Urzeiten einen besonderen Stellenwert ein. Vögel können fliegen, bewegen sich frei in der Luft und haben damit den uralten Menschheitstraum vom Fliegen begründet. So ist es nicht verwunderlich, dass Vögel in den Mythen der Völker eine große Rolle spielten und heute noch spielen. Vögel sind oft Ausdruck und Verehrung der unsterblichen Seele, himmlische Engel oder Götterwesen.
Die oft sehr prächtigen Vogelfedern dienen als Körperschmuck und werden bei Kulthandlungen verwendet. Vögel hielten Einzug in die Kultur aller Völker und sind in der Heraldik, Musik, bildenden Kunst und in Sprachbildern eng verwurzelt.
Viele Vogelarten zeichnen sich durch melodische Rufe und Gesänge aus oder haben anmutige oder drollige Verhaltensweisen. All diese Eigenschaften bewegen uns, Vögel als Haus- und Heimtiere in Obhut zu nehmen, zu zähmen, zu vermehren und zu züchten. Sie wurden zu unseren engen Gefährten und dienen weniger den leiblichen Bedürfnissen, sondern dem seelischen Ausgleich ihrer Besitzer.
Domestikation im Zeitraffer
Die Domestikation der meisten Nutztiere begann vor mehreren tausend Jahren, die der Ziervögel dagegen relativ spät. Die ältesten Ziervögel sind das Japanische Mövchen, das in China im 15. oder 16. Jahrhundert aus dem Spitzschwanz-Bronzemännchen herausgezüchtet wurde, und der Kanarienvogel, dessen Domestikation vor etwa 500 Jahren begann.
Alle anderen heutigen domestizierten Ziervögel blicken auf eine deutlich kürzere Domestikationszeit zurück. Mit Beginn der europäischen Entdeckungsreisen und den kolonialen Eroberungen gelangten auch viele fremdländische Vögel nach Europa. So wird z. B. der beliebte Wellensittiche in Europa seit 1840 gehalten und gezüchtet.
Im Jahr 1960 verhängte Australien eine komplette Ausfuhrsperre für alle dort heimischen Wildtiere. Seither sind legal keine australischen Vögel in die Züchterhände gelangt. So war es zwingend erforderlich, die noch in den Volieren vorhandenen Vögel zu züchten. Für kleine Vogelarten bedeutet das, das inzwischen 60 Generationen (ohne „Blutauffrischung“ aus wildlebenden Populationen) vergangen sind.
Innerhalb dieser kurzen Zeit entstanden bei vielen Vogelarten Mutationen, die vor allem die Gefiederfarben betreffen. Aber auch die Größe ist bei vielen Arten nicht mehr mit der Wildform vergleichbar. Wir beobachten seit ein paar wenigen Jahrzehnten eine Domestikation im Zeitraffer. Es ist demnach an der Zeit, einige Vogelarten in den Stand der domestizierten Vögel zu erheben.
Domestizierte Vogelarten
A = domestizierte Art; B = an der Schwelle zur Domestikation
Prachtfinken
A Gouldamadine (Chloebia gouldiae)
A Silberschnabel afr. und ind. (Lonchura [Euodice] ssp.)
A Japanisches Mövchen (Lonchura striata)
A Reisamadine (Padda oryzivora)
A Spitzschwanzamadine (Poephila acuticaud)
A Gürtelgrasamadine (Poephila cincta)
A Maskenamadine(Poephila personata)
A Diamantamadine (Stagonopleura guttata)
A Ringelamadine (Stizoptera bichenovii)
A Zebrafink (Taeniopygia castanotis)
B Rotkopfamadine (Amadina erythrocephala)
B Bandamadine (Amadina fasciata)
B Gemalte Amadine (Emblema pictum)
B Forbes Papageiamadine (Erythrura tricolor)
B Zeresamadine (Neochmia modesta)
B Binsenastrild (Neochmia ruficauda)
Tauben und Wachteln
A Diamanttäubchen (Geopelia cuneata)
A Lachtaube (Streptopelia roseogrisea)
A Japanwachtel (Coturnix japonica)
A China-Zwergwachtel (Synoicus chinensis)
Cardueliden
A Taiga-Birkenzeisig (Acanthis f. flammea)
A Alpen-Birkenzeisig (Acanthis flammea cabaret)
A Stieglitz major (Carduelis c. major)
A Grünfink (Chloris chloris)
A Hausgimpel (Haemorhous mexicanus)
A Dompfaff große UArt (Pyrrhula p. pyrrhula)
A Kanarienvogel (Serinus canaria f. domestica)
A Bartzeisig (Spinus barbata)
A Kapuzenzeisig (Spinus cucullata)
A Magellanzeisig (Spinus magellanica)
A Erlenzeisig (Spinus spinus)
B Grönland-Birkenzeisig (Acanthis hornemanni)
B Polar-Birkenzeisig (Acanthis hornemanni exilipes)
B Stieglitz (Carduelis c. carduelis)
B Schwarzkopf-Grünfink (Chloris ambigua)
B China-Grünfink (Chloris sinica)
B Fichten-Kreuzschnabel (Loxia curvirostra)
B Himalaya-Kreuzschnabel (Loxia curvirostra himalayensis)
B Dompfaff (Pyrrhula p. europoea)
B Gelbbauchzeisig (Spinus xanthogastra)
Psittaciden
A Pfirsichköpfchen (Agapornis fischeri)
A Rußköpfchen (Agapornis nigrigenis)
A Schwarzköpfchen (Agapornis personatus)
A Rosenköpfchen (Agapornis roseicolli)
A Königssittich australisch (Alisterus scapularis)
A Katharinasittich (Bolborhynchus lineola)
A Ziegensittich (Cyanoramphus novaezelandiae)
A Blaugenick-Sperlingspapagei (Forpus coelestis)
A Wellensittich (Melopsittacus undulatus)
A Mönchsittich (Myiopsitta monachus)
A Schmucksittich (Neonanodes elegans)
A Schönsittich (Neophema pulchella)
A Glanzsittich (Neophema splendida)
A Bourkesittich (Neopsephotus bourkii)
A Nymphensittich (Nymphicus hollandicus)
A Pennantsittich (Platycercus elegans)
A Rosellasittich (Platycercus eximius)
A Bergsittich (Polytelis anthopeplus)
A Singsittich (Psephotus haematonotus)
A Halsbandsittich (Psittacula krameri)
B Grauköpfchen (Agapornis canus)
B Erdbeerköpfchen (Agapornis lilianae)
B Taranta-Bergpapagei (Agapornis taranta)
B Springsittich (Cyanoramphus auriceps)
B Augenring-Sperlingspapagei (Forpus conspicillatus)